Fachtagung „25 is the new 18“

Der Fachtag „25 is the new 18“ in Berlin lud ein, das Thema „Care Leaving“ zu diskutieren und bot die Möglichkeit verschiedene fachbezogene Projekte vorzustellen.

Nach der Eröffnung durch Peter Baumeister, der alle Anwesenden im Namen des BVkE begrüßte, stellten Joachim Klein und Prof. Michael Macsenaere die ersten Ergebnisse der Studie „Care Leaver – stationäre Jugendhilfe und ihre Nachhaltigkeit“ vor. Dabei lieferten sie zunächst eine kurze Situationsanalyse zu konkreten Barrieren, die den Prozess des Leaving Care in der Praxis erschweren, wie z. B. die häufig erkennbare Willkür in der Bewilligung von Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII sowie die oftmals fehlende strukturelle Flexibilität in den Angeboten zur Nachsorge nach Beendigung stationärer Hilfen. Anschließend gaben sie den Anwesenden einen auszugweisen Einblick in die Biografien zweier Care Leaver:innen, anhand derer sowohl Schwierigkeiten als auch positive Einflussfaktoren im Rahmen des Verselbstständigungsprozesses sehr anschaulich und klar nachvollziehbar herausgearbeitet werden konnten. Im letzten Teil des Vortrags präsentierten Herr Klein und Prof. Macsenaere die zentralen Ergebnisse der umfangreichen statistischen Wirkfaktorenanalyse, bei der sich neben der Qualität der stationären Vorbereitung auf die Verselbstständigung sowie der ambulanten Nachsorge und einer  hinreichend hohen Partizipation insbesondere der Aspekt der Beziehungsqualität als zentraler Gelingensfaktor für die nachhaltige Wirksamkeit stationärer Hilfen erwiesen hat. Aus den Ergebnissen der wissenschaftlichen Untersuchung ergaben sich abschließend u. a. die Folgerungen zur Notwendigkeit einer institutionalisierten Einrichtung offener Anlaufstellen für Care Leaver:innen, einer verbindlichen, aber flexibel (bedarfsgerecht) gestalteten Nachsorge durch öffentliche Träger sowie zur Klärung der rechtlichen Zuständigkeit für die Zeit nach Beendigung einer stationären Hilfe.

Die hohe Bedeutung gelingender und stabil erhaltbarer Beziehungen wurde nach der Mittagspause dann auch im von Prof. Wolfgang Schröer moderierten Gespräch mit drei jungen Menschen deutlich, die in ihrem Leben selbst Erfahrungen als Care Leaver:innen gemacht haben. Alle drei schilderten sehr eindrücklich aus ihrer eigenen Biografie, wie sich die persönlichen Beziehungen, die sich zu ihren Bezugsbetreuer:innen entwickelt haben, auf ihre individuelle Entwicklung auch noch in der Zeit nach ihrer stationären Hilfe ausgewirkt haben. Darüber hinaus wurde aus den persönlichen Erzählungen sehr deutlich, mit welch großen Schwierigkeiten (z. B. Bildungsbenachteiligungen, finanzielle Probleme oder emotionale Belastungen) Care Leaver in ihrem Übergang in die Selbstständigkeit zu kämpfen haben.

Unterstützung erhalten Care Leaver dabei mittlerweile u. a. von Initiativen wie „Klückskinder“, die im Anschluss von der Gründerin Diana Klückmann vorgestellt wurde.  Mit Aktionen wie dem „Mutmachkalender“, „Perspektiven-Botschaftern“, „Mutmach-Mentoren“ oder der „Klückskinder Alliance“ versuchen sie, Care Leaver:innen u. a. durch die Vermittlung wichtiger Informationen, durch individuelle Förderung sowie durch Beziehungs- und Netzwerkbildung auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit zu helfen.

Im nächsten Programmpunkt „Good practice Beispiele“ gaben die Jugendhilfe St. Elisabeth in Dortmund, die Bergische Diakonie Aprath sowie die SOS Kinderdörfer aus Österreich einen kurzen Einblick in ihre eigene, z. T sehr spezifische Arbeit mit Care Leaver:innen. Neben der Darstellung konzeptioneller Schwerpunkte und konkreter Gestaltungsmöglichkeiten wurden dabei insbesondere zwei spezielle Projekte vorgestellt, die Einrichtungen selbst initiiert haben („Dein Netzwerk“ der Bergischen Diakonie sowie „Alumni Akademie“ der SOS Kinderdörfer) und aktuell mit sehr positiver Resonanz von Seiten der Care Leaver:innen betreiben.

Abgerundet wurde der Tag durch Prof. Wolfgang Schröer, der in seinem Fachvortrag für die Abkehr von der Kultur der Verabschiedung hin zu einer Kultur des Wiedersehens plädierte. Die Entwicklung vom Jugend- zum Erwachsenenalter hat sich Ergebnissen der Jugendforschung zufolge in unserer Gesellschaft in den letzten dreißig Jahren erheblich verändert. So haben sich u. a. die damit verbundenen zentralen Ablösungs- bzw. Verselbstständigungsprozesse, wie z. B. der Abschluss einer beruflichen Ausbildung bzw. der Einstieg ins Berufsleben oder der Auszug aus dem Elternhaus, weit ins dritte Lebensjahrzehnt verschoben. Dem muss Prof. Schröer zufolge auch in der Kinder- und Jugendhilfe Rechnung getragen werden, indem auch die Ausrichtung der Hilfedurchführung auf die Zeit bis zum 18. bzw. 21. Geburtstag verändert und eine längerfristige Unterstützung konzeptionell wie gesetzlich verankert wird.

Mithilfe dieses Fachtags wollen IKJ und BVkE einen starken fachlichen Impuls für die Fachdiskussion zum Thema „Leaving Care“ setzen. Die Ergebnisse der Studie „Care Leaver – stationäre Jugendhilfe und ihre Nachhaltigkeit“ sollen in den nächsten Monaten als versachlichende Diskussionsgrundlage in den laufenden Novellierungsprozess des SGB VIII mit eingebracht werden.

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